Zwei deutsch-französische Beziehungen in einem Jahrhundert
Ein kleines Dorf in den Ardennen im Jahr 1916: der 1. Weltkrieg tobt mit unerbittlicher Härte, Deutsche und Franzosen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Und mitten drin verliebt sich eine französische Dorfschullehrerin in einen deutschen Offizier. Niemand darf davon erfahren. Schon ein Jahr später wird der deutsche Soldat an einen anderen Standort versetzt, die heimliche Affäre ist beendet. Adrienne, so der Name der Lehrerin, sollte den Rest ihres langen Lebens sich nie wieder binden. Die Erinnerung an ihre große Liebe aber bewahrte sie tief in sich. Als sie fast siebzig Jahre später erfährt, dass ihre geliebte Großnichte, die kleine Marie, von einem großgewachsenen Deutschen aus Bayern ein Kind erwartet, offenbart sie ihr dieses Geheimnis, das sie ein Leben lang bewahrte. Jahre nach dem Tod der Großtante macht sich diese Nichte, die in der Zwischenzeit längst in Süddeutschland lebt, auf Spurensuche. Das Ergebnis ist ein sehr feiner Roman, der die beiden Leben, das der Großtante und das der Großnichte, miteinander verbindet. Wie in einer Abfolge von Filmsequenzen entfalten sich vor dem inneren Auge der Autorin, also der Nichte, Szenen mit dieser aus der Zeit gefallenen Tante, ihren bizarren Ritualen und nicht enden wollenden Erzählungen vom Krieg und von den Deutschen. Diese Erzählungen verbinden sich mit dem eigenen Leben. Und so entsteht mit „Klang des Bleistifts, der zu Boden fällt“ nicht nur eine rührende Erzählung einer Liebe, die nicht gelebt werden durfte und konnte. Es entstehen auch feine Zeichnungen des unterschiedlichen deutsch-französischen Umgangs und Miteinanders in zwei verschiedenen Epochen eines Jahrhunderts.
Marie Gaté, deren Muttersprache Französisch ist und die Spanisch studierte, arbeitete viele Jahre als Lehrerin in Augsburg. Ihren Roman verfasste sie in deutscher Sprache. Er beeindruckt durch die beinahe filigrane Sprache. Ist dieses feine Sprachgefühl auch ein Vermächtnis der Tante? Viele geistige Welten eröffnete sie ihrer Nichte und unvergessen ist ihr Ratschlag: „Marie, ein Bleistift darf nie auf den Boden fallen, sonst bricht die Mine! Behandle deine Schulsachen wie Lebewesen, und sie werden dir die schönsten Gefühlswelten eröffnen.“ So erklärt sich der Titel des Buchs. Schlägt man es auf, so treten den Leserinnen und Lesern tatsächlich einige der schönsten Gefühlswelten entgegen.
Eine Veranstaltung des LeseZeichens Mannheim in Kooperation mit dem Institut Français Mannheim.
Diese Lesung wird unterstützt mit Fördermitteln aus dem Projekt „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Literaturfonds.
Donnerstag, 20. Oktober 2022, 18.00 Uhr, Alte Sternwarte Mannheim
Eintritt 8,-- €.