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The Globe

 

5. Station: Shakespeare's Globe - London/Großbritannien
7. Juni 2020

“To be or not to be” – “Sein oder nicht sein” - diese Frage bestimmt seit einigen Tagen die Berichterstattung über das Londoner Globe Theatre, die bedeutende Shakespeare-Spielstätte in der britischen Hauptstadt. Dabei erregt nicht die neueste Hamlet-Inszenierung die Gemüter. Vielmehr geht es um die Existenz des ganzen Theaters. Wie alle britischen Kultureinrichtungen musste es in der Corona-Zeit schließen und gerät nun durch die fehlenden Einnahmen in existenzielle Schwierigkeiten. Für die Briten käme das Ende dieser Spielstätte einer nationalen Katastrophe gleich, steht sie doch symbolisch für einen Leuchtturm englischer Kultur, der bis zum heutigen Tag über ganz Europa ausstrahlt und seine Wirkung entfaltet. Das Lesezeichen nimmt die aktuelle Diskussion zum Anlass, auf seiner Europareise hier am Südufer der Themse Halt zu machen.

Das Globe mit seiner markanten weißen Fachwerkfassade gehört zu den bekanntesten Gebäuden Londons und zieht jährlich eine Million Besucher an. Da spielt es keine Rolle, dass das aktuelle Theatergebäude erst 1997 fertiggestellt wurde und damit gerade einmal gut zwanzig Jahre alt ist. Ist es doch ein Nachbau des viel älteren Originals aus dem Jahre 1599, das ganz in der Nähe stand. In diesem Theater, bzw. seinem Original, feierte William Shakespeare seine großen Erfolge als Dramatiker und Schauspieler. Es stand nur vierzehn Jahre. Während einer Vorstellung 1613 fing es Feuer und brannte ab. Auch der folgende Bau wurde nicht alt. Kurz nachdem 1642 die Puritaner aus moralischen Gründen alle Vergnügungsstätten in London schlossen – und dazu gehörten die Theater – wurde er abgerissen und das Gelände wurde mit Mietwohnungen überbaut. Erst 1989 wurden im Rahmen erneuter Bauarbeiten Reste des Fundaments entdeckt. Das Shakespeare-Theater rückte wieder ins öffentliche Bewusstsein und wenig später konnte nahe des ursprünglichen Standorts das heutige Gebäude eröffnet werden. Die 38 Theaterstücke des weltweit bis heute meist gespielten Bühnenautors können so wieder in originaler und authentischer Atmosphäre erlebt werden.
Gleich beim Betreten des runden nur teilweise überdachten Theatergebäudes wird den Besucherinnen und Besuchern deutlich, dass sie eine Theateraufführung in einer anderen Form erleben werden, als sie es aus klassischen Theaterbauten gewohnt sind. Die Bühne befindet sich nicht in einer Öffnung am Ende des Besucherraumes. Vielmehr ragt sie mitten in den kreisrunden Innenraum herein. Die auf mehreren übereinanderliegenden Ebenen platzierten Zuschauerränge umschließen sie an drei Seiten. Teilweise gibt es sogar Plätze im Rücken der Bühne. Hinzu kommen zu ebener Erde noch Plätze bis direkt an den Bühnenrand. Die ganze Anordnung erinnert deutlich stärker an ein Zirkuszelt mit Manege als an ein klassisches Theater. Gespielt wird damit praktisch mitten unter den Zuschauern. 
Große Bühnenaufbauten und Kulissen können hier nicht eingesetzt werden. Nur wenige Requisiten werden genutzt und das ganze Spiel lebt von der Sprache. Oft kommt es zu direkter Interaktion mit dem Publikum. Hier muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass Theater zu Zeit Shakespeares kein hehres Kulturereignis war. Es war eine Vergnügungsveranstaltung, ein Volkstheater für die breiten Bevölkerungsmassen mit günstigen Eintrittspreisen. Entsprechend lebhaft ging es zu.
Lebendig war die gesamte Theaterszene Ende des 16. Jahrhunderts, die William Shakespeare prägte wie kein Autor vor oder nach ihm. Über seine Jugend ist wenig bekannt. Vor allem ist bis heute nicht klar, wie der 1564 in Stratford-upon-Avon in Mittelengland geborene Sohn eines Landbesitzers und Weißgerbers zum Theater und zur Schriftstellerei kam. Gesichert ist lediglich, dass er spätestens ab 1591 im Londoner Theaterleben fest etabliert war. Verschiedene Stücke, unter anderem „Der widerspenstigen Zähmung“, hatte er bis zu diesem Zeitpunkt bereits geschrieben.

In den folgenden Jahren entfaltete er eine rege Schreibtätigkeit. Komödien, Tragödien und Historiendramen wechselten einander ab. Bei der Wahl seiner Stoffe ging Shakespeare ganz unterschiedlich vor. Viele Figuren und Geschichten wurden selbst entwickelt. So sind der Falstaff in „Heinrich IV“ und „Die lustigen Weiber von Windsor“ oder der Prospero in „Der Sturm“ reine Phantasieprodukte des genialen Engländers. Andere markante Figuren wie Hamlet, König Lear oder König Richard III. entnahm er der Geschichte. Wobei er es dabei mit der historischen Wahrheit nicht so genau nahm und seine Protagonisten durchaus entsprechend eigenen Vorstellungen gestaltete. Wichtig war, dass markante Bühnenpersönlichkeiten entstanden.
Die dritte Säule des shakespearschen Fundus waren vorhandene Geschichten und Erzählungen, die er als Inspirationsquelle nutzte. Zeitgenössische Romane waren dabei. Ebenso große Werke vergangener Jahrhunderte. Für „Ende gut, alles gut“ griff er beispielsweise auf eine Novelle aus Boccaccios Decamerone zurück. Und natürlich bediente sich Shakespeare, wie so viele Autoren vor und nach ihm, an den großen Texten der Antike. So bildet sowohl für „Romeo und Julia“ als auch für „Ein Sommernachtstraum“ die Geschichte des tragischen Liebespaars Pyramus und Thisbe  aus Ovids Metamorphosen die Vorlage.

Bis heute gehören die Stücke Shakespeares zum festen Repertoire nahezu aller großen und kleinen Bühnen. Und dies nicht nur in Europa. Übersetzt wurden sie in über 100 Sprachen. Angeblich stehen sie weltweit für mehr als 50 % der Schülerinnen und Schüler auf dem Lehrplan. Zitate und Redewendungen aus seinen Stücken sind in vielen Sprachen in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Sei es „Die Zeit ist aus den Fugen“, „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ oder „Morgenluft wittern.“
Neben der direkten Weitergabe und Wiedergabe seines Werks, lebt Shakespeare im Schaffen unzähliger Künstlerinnen und Künstler weiter. Genauso wie er seine Inspiration aus unterschiedlichen Quellen bezogen hat, bildet sein umfangreiches Ouevre wiederum die Vorlage für vielfältiges künstlerisches Schaffen bis in unsere Tage hinein. Es wurde in neuen Theaterstücken und Romanen aufgegriffen und bearbeitet. Komponisten dienten seine Texte als Vorlage für großartige Opern. Unzählige Maler setzten sich mit den Figuren Shakespeares auseinander und es gibt kaum ein Drama oder eine Komödie von ihm, die in den letzten 100 Jahren nicht mehrmals verfilmt wurden. 

So bearbeitete Johann Wolfgang von Goethe „Romeo und Julia“, Hector Berlioz und Leonard Bernstein schufen auf dieser Grundlage bekannte Opern und Elvis Costello schuf mit „The Juliet Letters“ ein Popalbum, das seinen festen Platz in der Geschichte der Popmusik hat.
Guiseppe Verdi, der insgesamt gerne auf erfolgreiche und erprobte Bühnenstücke zurückgriff um aus Komödien und Dramen Opern zu machen, konnte und wollte an Shakespeare nicht vorbeigehen. Für „Macbeth“, „Otello“ und „Falstaff“ lieferte dieser die Vorlage. Und von den rund 420 mehr oder weniger textnahen Filmadaptionen sollen hier nur „Der Widerspenstigen Zähmung“ mit Elizabeth Taylor und Richard Burton oder „Ein Sommernachtstraum“ mit Helen Mirren und Judi Dench genannt werden.
Shakespeare wurde mit seinen Stücken und seinen Theatererfolgen zum wohlhabenden Mann. Als gewiefter Geschäftsmann war er nämlich nicht ausschließlich Lieferant der Texte. Er  hatte auch in das Theater investiert und war damit an den Einnahmen beteiligt. Gleichzeitig war er unabhängig von Fürsten und Auftraggebern und konnte es sich durchaus erlauben, obrigkeits- und gesellschaftskritische Aspekte in seine Werke einfließen zu lassen. Allerdings trug er auch die Risiken mit und die aktuelle Situation in seinem Globe wäre ihm nicht fremd vorgekommen. Mehrmals in seinem Leben erlebte er seuchenbedingte Theaterschließungen. Damals war es die Pest, die das Kulturleben zum Erliegen brachte. Shakespeare nutzte die Zeit auf seine Weise. Als der Vorgängerbau des Globe von Sommer 1592 bis Ende 1593 eineinhalb Jahre geschlossen war, entstand seine Versdichtung Venus und Adonis. Auch dieser Stoff wurde den Metamorphosen des Ovid entlehnt. Und während der Schließung 1609 nutzte er die Zeit zur Dichtung seiner Sonette. Auch damit schrieb er Literaturgeschichte.
Und nun wird es Zeit zum Besuch im Globe:
Shakespeare's Globe Theatre
Einen schönen Rundgang durch das Theater bietet auch der Youtube-Kanal des Globes.
Blick ins Theatergebäude Zurück zur Reiseübersicht
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