Bücher über das Ende der Weimarer Republik und die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 füllen ganze Regale. Man könnte meinen, dass dieser dunkle Moment der deutschen Geschichte in allen Einzelheiten analysiert und erzählt ist. Und doch gelingt es dem Literaturkritiker und Journalisten Uwe Wittstock durch eine geschickte Wahl der Perspektive einen besonders klaren Blick auf diese entscheidenden Tage zu eröffnen. Sein im August vorgelegtes Buch „Februar 33 – Der Winter der Literatur“ kann durchaus zu den Höhepunkten des Bücherherbsts 2021 gezählt werden.
Chronologisch stellt der Autor Ereignisse dar, die sich zwischen dem 28. Januar und dem 15. März 1933 abspielten. Also von den Tagen direkt vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler bis zu den Tagen nach der Reichstagswahl am 5. März 1933. Was auf den ersten Blick wie eine Aneinanderreihung einzelner Berichte der Erlebnisse verschiedener Autorinnen und Autoren, Verleger und Journalisten erscheint, fügt sich zu einem Gesamtbild von großer Dichte.
Die Leserinnen und Leser erleben, wie Theaterstücke von Bertolt Brecht oder Else Lasker-Schüler von den Spielplänen der Theater verschwanden, Heinrich Mann und Käthe Kollwitz aus der Akademie der Künste hinausgedrängt werden, Alfred Döblin sich in letzter Minute noch in die Schweiz absetzen kann und Carl von Ossietzky verhaftet wird. Von Tag zu Tag verfolgt Wittstock, wie das glanzvolle literarische Leben der Weimarer Zeit in wenigen Wochen zusammenbricht. Auch wer von sich meint, in der jüngeren Geschichte bewandert zu sein, ist von der Geschwindigkeit des kompletten Zusammenbruchs des demokratischen Staatswesens aufs Neue erschüttert. Am Beispiel der einzelnen Schriftstellerinnen und Schriftsteller wird aufgezeigt, wie Leistungen und Verdienste von einem Tag zum anderen nichts mehr zählen.
Auch wenn Wittstock die Tage weitgehend anhand der Schicksale der Literaten erzählt, gelingt ihm eine generelle Darstellung der Etablierung der nationalsozialistischen Epoche. Die Fehleinschätzung bürgerlich-konservativer Kräfte wird ebenso deutlich wie die Verantwortung des Reichspräsidenten. Und es wird sichtbar, wie gezielt freigesetzte staatliche Willkür und professionell instrumentierte Gewaltausbrüche wesentliche Faktoren dieser Tage waren.
Ein lesenswertes Buch, das die Darstellung einer dramatischen historischen Epoche mit einem Streifzug durch die literarische Szene ihrer Zeit verbindet.
„Februar 33 – Der Winter der Literatur“ von Uwe Wittstock ist erschienen im Verlag C.H. Beck, 288 Seiten, 24,-- €.