„Erinnerungen sind ein Pfund, mit dem sich dichterisch wuchern lässt. Für Anja Kampmann bedeuten Flashbacks eine Quelle enormer Produktivität.“ stellt der MDR-Literaturkritiker Ulf Heise bei der Besprechung des neu erschienenen Gedichtbands von Anja Kampmann fest. Und in der Tat erwecken viele der Gedichte in dem neu vorgelegten Band „Der Hund ist immer hungrig“ den Eindruck, dass sie zurückblicken in die noch gar nicht so lange zurück liegenden Jugendjahre der Autorin. Die Verse setzen Landschaft und Gesellschaft in Relation, erzählen vom Marschland und vom Mädchen auf dem Spielplatz, von der naiven Sehnsucht nach dem großen Leben und von Klassenkameraden:
in meiner klasse sitzt der sohn des schweinebauern
es saßen andere söhne. viele hatten acker, rüben
eine schwäche fürs feuerlöschen, oder schreckschuss
dennoch die apfelbäume blühten
die nächte noch kühl
Nur die Autorin kann einschätzen, wo die Erinnerung in die Fiktion übergeht. Aber ist nicht das genau das, was die literarische Arbeit ausmacht und von der reinen Biographie ausmacht. Und veröffentlichte nicht Goethe die Erinnerungen an die ersten 25 Jahre seines Lebens unter dem Titel „Dichtung und Wahrheit“? So lassen wir die indiskreten Überlegungen und erfreuen uns daran, wie virtuos Kampmann mit der Sprache umzugehen vermag und genießen ihren natürlichen, unkomplizierten Ausdrucksstil. Fähigkeiten, die übrigens auch ihre Prosaarbeiten zu dem großen Lesegenuss machen, den sie darstellen.
Sehnt sich die Jugend nach der weiten Welt, so öffnet sich auch der Gedichtband und greift zurückliegende und aktuelle gesellschaftliche Probleme, nationalsozialistische Vergangenheit, Kriege und Umweltzerstörung auf. Ein umfangreicher Anmerkungsteil ist ausgesprochen hilfreich, das die die historischen, politischen und naturwissenschaftlichen Bezüge nicht immer sofort erkennbar sind.
„Der Hund ist immer hungrig“ von Anja Kampmann ist erschienen im Hanser Verlag, 120 Seiten, 20,00 €,